Synergie laut Beschwerdekammer des EPA nicht ausreichend für Begründung einer erfinderischen Tätigkeit
Rechtsprechung | 13.02.2025
Das Europäische Patentamt sieht das Vorhandensein einer synergistischen technischen Wirkung normalerweise als ein Indiz für eine erfinderische Tätigkeit an. Auf Betreiben von James Ogle und Joachim Renken von Hoffmann Eitle hat die Beschwerdekammer des EPA in der Sache T1639/21 jedoch klargestellt, dass eine Synergie allein noch keine erfinderische Tätigkeit impliziert.
In diesem Fall ging es um die Kombination eines mRNA-Impfstoffs (z.B. gegen Krebs) mit einem Antikörper, um einem „Immuncheckpoint“ entgegenzuwirken. Es war bekannt, dass solche Immuncheckpoints das Immunsystem davon abhalten, Krebs anzugreifen. Das Unterscheidungsmerkmal bestand darin, dass der Antikörper auf einen anderen Immuncheckpoint gerichtet war.
Aufgrund der Angaben im Patent kam die Kammer zu dem Schluss, dass die kombinierte Wirkung von Impfstoff und Antikörper stärker als die Summe der einzelnen Wirkungen ist und daher als synergistisch anerkannt werden kann. Die gleiche synergistische Wirkung war aus dem nächstliegenden Stand der Technik bekannt, wenn auch mit einem unterschiedlichen Target für den Antikörper. Die objektive technische Aufgabe wurde daher als die Bereitstellung einer weiteren synergistischen Kombination aus Impfstoff und Immuncheckpoint-Inhibitor formuliert.
Die Kammer hatte somit die Frage zu beantworten, ob der Fachmann vernünftigerweise hätte erwarten können, mit einem Antikörper, der auf einen anderen Immuncheckpoint gerichtet ist, eine synergistische Wirkung zu erzielen.
Die Kammer stellte anhand des Stands der Technik, einschließlich des Fachwissens, fest, dass der Fachmann PD-1 vernünftigerweise als ein vielversprechendes Immuncheckpoint-Target für die Kombination mit Krebsimpfstoffen, einschließlich der beanspruchten mRNA-Impfstoffe, angesehen hätte. Entscheidend ist, dass die Antikörper aus dem nächstliegenden Stand der Technik und den Ansprüchen zwar durch unterschiedliche Mechanismen wirkten, jedoch kein Beweis für eine direkte molekulare Wechselwirkung zwischen Impfstoff und Antikörpern erbracht wurde. Stattdessen wurde die in der beanspruchten Erfindung beobachtete Synergie bekanntermaßen auf die oben beschriebene indirekte Wechselwirkung zurückgeführt: Der Antikörper wirkte dem Immuncheckpoint entgegen und ermöglichte so eine wirksamere Immunantwort auf die Impfung. Somit hätte sich der Fachmann auch nicht von dem beanspruchten mRNA-Impfstoffformat abhalten lassen, das im Übrigen bereits im nächstliegenden Stand der Technik verwendet wurde.
Andere Druckschriften offenbarten ausdrücklich eine synergistische Wirkung zwischen unterschiedlichen Formaten von Krebsimpfstoffen und Antikörpern gegen denselben Immuncheckpoint wie das beanspruchte Format. In Anbetracht des vorliegenden Stands der Technik befand die Kammer, dass der Fachmann vernünftigerweise hätte erwarten können, dass die Kombination aus beanspruchtem Impfstoff und Antikörper eine synergistische Wirkung erzielen würde.
Somit grenzte die Kammer diesen Fall von einer Reihe früherer Fälle ab, welche die Patentinhaberin mit dem Argument angeführt hatte, dass eine „synergistische Wirkung per se unvorhersehbar“ sei und daher „automatisch“ eine erfinderische Tätigkeit begründe. Die Kammer lehnte es auch ab, der Großen Beschwerdekammer eine Frage zu diesem Thema vorzulegen.
Abschließend wird in dieser wichtigen Entscheidung klargestellt, dass eine Synergie allein nicht unbedingt eine erfinderische Tätigkeit begründet. Je nach Sachlage kann eine Synergie in bestimmten Fällen vernünftigerweise erwartet werden und somit aufgrund des Stands der Technik naheliegend sein.
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